Insolvenz des Vermieters: Fortbestehen des Mietverhältnisses mit Wirkung für die Insolvenzmasse ←→
Leitsatz
In der Insolvenz des Vermieters besteht das Mietverhältnis nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn es in Vollzug gesetzt war, der Mieter aber den Besitz an der Wohnung bei Insolvenzeröffnung wieder aufgegeben hatte (Ergänzung zu BGH, 5. Juli 2007, IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116).(Rn.17)
Rechtsprechung
Ergänzung BGH 9. Zivilsenat, 5. Juli 2007, Az: IX ZR 185/06
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Hamburg vom 25. März 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Hilfsanträge abgewiesen worden sind.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 22. August 2013 wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass Erfüllungsansprüche des Beklagten aus dem Mietverhältnis zwischen ihm und der H. bezüglich der in H. gelegenen Wohnung mit zwei Zimmern, Küche und Bad gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten und zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben, die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Beklagte mietete am 19. September 1978 eine Wohnung im Haus in H. . Die H….. (künftig: Schuldnerin) erwarb das Grundstück in der Absicht, das Miethaus umfangreich zu sanieren. Da die Wohnungen in dem Objekt während der geplanten Baumaßnahmen nicht mehr bewohnbar waren, schlossen die Schuldnerin und der Beklagte am 20. Oktober 2010 eine Sanierungsvereinbarung. Danach sollte der Beklagte während der Sanierungsarbeiten in eine von der Schuldnerin angemietete Ersatzwohnung umziehen und nach Abschluss der Sanierung wieder in seine alte Mietwohnung zurückkehren. Gemäß der Vereinbarung zog der Beklagte in die Ersatzwohnung um. Die Sanierungsarbeiten wurden nicht zu Ende geführt.
2
Auf Antrag der Schuldnerin wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser lehnte gegenüber dem Beklagten die Erfüllung des Sanierungsvertrages gemäß § 103 InsO ab und kündigte den Mietvertrag, weil es ihm infolge der zum Stillstand gekommenen Sanierungsarbeiten nicht möglich sei, dem Beklagten den Mietgebrauch zu gewähren. Der Beklagte trat dem entgegen und bestand auf der Einhaltung von Miet- und Sanierungsvertrag.
3
Der Kläger hat deswegen den Beklagten auf Feststellung verklagt, dass das Mietverhältnis erloschen sei, hilfsweise auf Feststellung, dass die Erfüllungsansprüche gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar seien und weiter hilfsweise, dass das Mietverhältnis am 28. Februar 2013 geendet habe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ersten Hilfsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet.
I.
5
Das Berufungsgericht hat – soweit noch von Belang – ausgeführt, der Antrag auf Feststellung, dass Erfüllungsansprüche des Beklagten aus dem Mietverhältnis gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar seien, bleibe ohne Erfolg. Denn im vorliegenden Fall sei nicht § 103 InsO, sondern § 108 InsO anzuwenden, auch wenn § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Juli 2007 – IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116 Rn. 13 ff) einschränkend dahin auszulegen sei, dass diese Regelung nur gelte, wenn das Mietverhältnis im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogen sei. Dies sei aber der Fall, weil der Beklagte bei ungekündigtem Mietvertrag bereits seit September 1978 in der Wohnung gewohnt habe. Unerheblich sei, dass er übergangsweise in eine Ersatzwohnung gezogen sei; dadurch habe er zwar seinen unmittelbaren Besitz verloren, er sei aber weiterhin als mittelbarer Besitzer anzusehen, weil die Sanierungsvereinbarung ihm als Besitzmittlungsverhältnis weiterhin den Besitz vermittele.
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Auch wenn der Beklagte nicht mittelbarer Besitzer der Wohnung geblieben wäre, gälte nichts anderes. Denn der Sachverhalt, den der Bundesgerichtshof entschieden habe, sei mit dem streitgegenständlichen nicht vergleichbar. Vorliegend sei das Mietobjekt vorhanden, selbst wenn sich die Wohnung derzeit in einem Rohbauzustand befinde. Der Kläger habe die Wahl, die Wohnung entweder fertigzustellen oder sie im Rohbauzustand zu veräußern. Der Beklagte sei überdies besonders schutzbedürftig, weil er in dem Mietobjekt 32 Jahre gewohnt habe.
II.
7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung nicht gemäß § 108 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der Kläger hat die Erfüllung des Mietvertrages in Ausübung seines Wahlrechts nach § 103 Abs. 1 InsO durch Schreiben vom 4. Mai 2012 wirksam abgelehnt.
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- Zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten bestand ein Mietverhältnis über Wohnraum, dessen Abwicklung sich nach den §§ 103 ff InsO richtet.
9
- a) Der Beklagte und sein damaliger Vermieter haben einen Wohnraummietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung geschlossen. In die sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten ist die Schuldnerin mit dem Erwerb der Wohnung anstelle des ursprünglichen Vermieters nach § 566 Abs. 1 BGB eingetreten. Das zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten bestehende Mietverhältnis ist nicht durch den vor der Insolvenzeröffnung geschlossenen Sanierungsvertrag beendet worden. Mit dieser Vereinbarung haben die Schuldnerin und der Beklagte das bestehende Mietverhältnis nur geändert. Der Beklagte war danach verpflichtet, für die Dauer der Sanierungsmaßnahmen aus der Wohnung auszuziehen; erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen sollte er wieder in die Wohnung einziehen dürfen und hätte die Schuldnerin ihm die Wohnung wieder zum Gebrauch überlassen müssen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Mietverhältnis unberührt gelassen; seine Abwicklung richtet sich aber nach den Regeln des Insolvenzrechts (vgl. MünchKomm-InsO/Kreft, 3. Aufl., § 103 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
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- b) Für Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume (fortan nur: Mietverhältnisse) gilt in der Insolvenz einer Vertragspartei grundsätzlich § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO, der § 103 Abs. 1 InsO verdrängt, soweit er anwendbar ist (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 – IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116 Rn. 9). Ansprüche aus einem nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten, wenn ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO). Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Mieter dagegen nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (§ 108 Abs. 3 InsO; vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 – IX ZR 163/02, NZI 2003, 373).
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Insbesondere kann der Mieter auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache verlangen. Denn der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) begründet unabhängig davon, ob der mangelhafte Zustand vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, keine Insolvenzforderung (§ 108 Abs. 3 InsO), sondern eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Mit der Fortdauer des Mietverhältnisses besteht nämlich die Erhaltungspflicht des Vermieters nach Verfahrenseröffnung weiter und ist vertragliche Gegenleistung des vom Mieter an die Masse weiter gezahlten Mietzinses (BGH, Urteil vom 3. April 2003, aaO mwN).
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- Doch findet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vorliegend § 108 Abs. 1 InsO keine Anwendung, so dass § 103 InsO nicht verdrängt ist und der Kläger die Erfüllung des Mietvertrages wirksam ablehnen konnte.
13
- a) Der Beklagte war nach Auszug aus der zu sanierenden Wohnung nicht deren unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer.
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- aa) Durch das Verlassen der Wohnung hat der Beklagte freiwillig und willentlich die tatsächliche Sachherrschaft über die Wohnung aufgegeben, die Wohnung zur Sanierung an die Schuldnerin übergeben und so den unmittelbaren Besitz an ihr nach § 856 Abs. 1 BGB verloren (vgl. MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 856 Rn. 2, 7). An der Freiwilligkeit ändert sich nicht dadurch etwas, dass die Schuldnerin von ihm möglicherweise nach § 554 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB in der zur Zeit der Sanierungsvereinbarung geltenden Fassung vom 2. Januar 2002 die vorübergehende Räumung der Mietwohnung im Rahmen der Pflicht, Baumaßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der Mietsache zu dulden, hätte verlangen können. Eine solche Verpflichtung wird in Ausnahmefällen angenommen, etwa wenn Erhaltungsmaßnahmen bei einem baufälligen Haus nicht anders erledigt werden können und sichergestellt ist, dass die Baumaßnahme tatsächlich durchgeführt wird und die Finanzierung geregelt ist (LG Braunschweig, DWW 1965, 85 f; vgl. Staudinger/Emmerich, BGB, 2014, § 555a Rn. 9; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht 11. Aufl., § 555a Rn. 34). Abgelehnt wurde sie etwa bei einer Sanierungsmaßnahme zur Modernisierung eines Gebäudes, die sich über 14 Monate hinziehen sollte (LG Berlin, WuM 2014, 96). Ob der Beklagte nach dieser Rechtsprechung tatsächlich aus seiner Wohnung hätte ausziehen müssen, ist nicht festgestellt, Vortrag hierzu fehlt. Darauf kommt es auch nicht an. Mit der Sanierungsvereinbarung, in der die Schuldnerin dem Beklagten weitgehende finanzielle und sonstige Zugeständnisse gemacht hat, damit dieser durch seinen Auszug die beabsichtigte Komplettsanierung ermöglichte, wollten die Vertragsparteien ohne Hinzuziehung von Gerichten das Problem unter Abwägung der beiderseitigen gegenseitigen Interessen einvernehmlich, damit aber auch freiwillig, lösen.
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Ein Fall der vorübergehenden Verhinderung in der Ausübung der Gewalt nach § 856 Abs. 2 BGB ist nicht gegeben, weil der Beklagte nach den Vereinbarungen des Sanierungsvertrages während der Dauer der Sanierung keine Möglichkeit der Gewaltausübung mehr hatte (vgl. MünchKomm-BGB/Joost, aaO § 856 Rn. 14). Unmittelbare Besitzerin der Wohnung war vielmehr mit der Wohnungsübergabe die Schuldnerin und nach der Insolvenzeröffnung der Kläger (§ 148 Abs. 1 InsO).
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- bb) Der Beklagte ist nach seinem Auszug auch nicht nach § 868 BGB mittelbarer Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung geworden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vermittelte der Sanierungsvertrag dem Beklagten nicht den mittelbaren Besitz. Denn die Schuldnerin hat als unmittelbare Besitzerin gegenüber dem Beklagten den Besitz nicht in Anerkennung eines Besitzvermittlungsverhältnisses ausgeübt (MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 868 Rn. 8). Aus dem Sanierungsvertrag ergibt sich an keiner Stelle, dass sie die Wohnung für die Dauer der Sanierung für den Beklagten besitzen sollte. Sie war auch nicht diesem gegenüber aufgrund des Sanierungsvertrages zeitweise zum Besitz berechtigt. Vielmehr ergab sich ihr Recht zum Besitz allein aus ihrer Stellung als Eigentümerin (§ 872 BGB). Mithin war dem Beklagten die Wohnung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht – wie nach dem Mietverhältnis im Grundsatz geschuldet – überlassen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Oktober 1975 – VIII ZR 122/74, BGHZ 65, 137, 139; vom 1. Februar 1989 – VIII ZR 126/88, ZIP 1989, 375, 376; Eckert, EWIR 1989, 665 f).
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- b) Da der Beklagte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung mithin nicht Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung war, greift § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht ein. Denn diese Regelung ist einschränkend dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich nur zur Anwendung kommt, wenn das Mietverhältnis im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend den mietvertraglichen Vereinbarungen in Vollzug gesetzt worden war und weiterhin vollzogen wurde.
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- aa) Das Berufungsgericht hat im Ansatz richtig erkannt, dass die Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Fälle nicht anwendbar ist, in denen die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters dem Mieter noch nicht überlassen war (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 – IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116 Rn. 13 ff). Denn eine wortgetreue Anwendung dieser Regelung würde den Mieter eines in Insolvenz geratenen Vermieters in unangemessener Weise vor anderen Gläubigern bevorzugen. Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 103 ff, 108 ff InsO gebieten eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 108 Abs. 1 InsO in der Insolvenz des Vermieters auf Mietverhältnisse, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits durch die Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogen sind (BGH, aaO Rn. 18).
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Diese Einschränkung hat schon der Gesetzgeber der Konkursordnung vorgenommen, indem er nicht in Vollzug gesetzte Mietverträge ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 21 KO ausgenommen hat, weil man nicht von einem konkursfesten „verdinglichten“ Rechtsverhältnis sprechen könne, bevor die Mietsache übergeben sei. Der Anspruch auf Überlassung der Mietsache sei vielmehr rein obligatorisch. Die Nichterfüllung eines noch nicht begonnenen Mietvertrages benachteilige den Mieter auch nicht in dem Maße wie die fristlose Beendigung eines in Vollzug gesetzten Mietverhältnisses. Es bleibe bei dem allgemeinen Wahlrecht des Konkursverwalters, so dass der Konkursverwalter prüfen könne, ob die Durchführung des Vertrages im Interesse der Masse liege; wähle er Erfüllung, müssten beide Parteien den Vertrag vollständig und bis zum Ende erfüllen (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 4, S. 98 f; BGH, Urteil vom 5. Juli 2007, aaO Rn. 19 f).
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Insbesondere dann, wenn die Masse aus § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet wäre, eigens für einen bestimmten Mieter einen Mietgegenstand herzustellen, träfen sie besondere Belastungen. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten würden in einem solchen Fall weder vorab noch bei Übergabe des Gebäudes an den Mieter ausgeglichen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens erfolgt der Ausgleich durch Mietzahlungen über einen längeren Zeitraum hinweg. Demgegenüber müsste der Verwalter bei Anwendung des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO zunächst die Herstellungskosten aus der Masse vorfinanzieren und dann abwarten, ob sich seine Investitionen während der vorgesehenen Mindestlaufzeit des Mietvertrages auszahlten. Das Insolvenzverfahren ist jedoch auf eine zügige Abwicklung angelegt. Kann das schuldnerische Unternehmen nicht saniert werden, ist das Schuldnervermögen zu verwerten und der Erlös nach Abzug der Kosten unter die Insolvenzgläubiger zu verteilen (§ 1 Satz 1 InsO). Dem widerspricht es, die Masse zu Vorleistungen zu verpflichten, die sich erst nach zehn oder mehr Jahren auszahlen (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007, aaO Rn. 22; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 – IX ZR 10/11, ZIP 2011, 2262 Rn. 6).
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In vielen Fällen würde die Durchführung des Mietvertrages schlicht daran scheitern, dass der Verwalter die zur Anschaffung oder Errichtung der Mietsache erforderlichen Kosten weder aus der Masse aufbringen noch anderweitig finanzieren kann. Ansprüche des Mieters auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung wären ebenfalls Masseverbindlichkeiten. Das Insolvenzverfahren müsste folglich gemäß §§ 208 ff, 211 InsO nach (anteiliger) Befriedigung der Massegläubiger zum Nachteil der Insolvenzgläubiger wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt werden. Mit der vom Gesetzgeber der Insolvenzordnung angestrebten höheren Verteilungsgerechtigkeit wäre diese unverhältnismäßige Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers nicht zu vereinbaren (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007, aaO Rn. 23).
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- bb) Diese Erwägungen treffen auch auf vorliegenden Fall zu (aA MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl., § 108 Rn. 12b; vgl. auch Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 19 Rn. 43; Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 110 f). Er ist einerseits dadurch gekennzeichnet, dass der Mietvertrag zwar jahrelang vor Stellung des Insolvenzantrags in Vollzug gesetzt war, andererseits aber auch dadurch, dass der Mieter den Besitz an der Wohnung – und damit auch seine insolvenzfeste, „verdinglichte“ Rechtsposition – vor Stellung des Insolvenzantrags aufgegeben hat, um dem Vermieter die umfassende Sanierung zu ermöglichen, diese Sanierung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters jedoch zum Erliegen gekommen ist. Denn die streitgegenständliche Wohnung befand sich bei Insolvenzeröffnung in einem Rohbauzustand. Der Kläger müsste also zunächst die über die mietvertragstypischen Instandhaltungskosten (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 – IX ZR 163/02, NZI 2003, 373) hinausgehenden Sanierungskosten (vgl. Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 110; Tintelnot, ZfIR 2008, 155, 156) aus der Masse vorfinanzieren und dann abwarten, ob sich seine Investition während der vorgesehenen Mindestlaufzeit des Mietvertrages auszahlt. Dies aber widerspricht, wie bereits ausgeführt wurde, dem Sinn des Insolvenzverfahrens.
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Der Kläger hat in Abrede gestellt, die zur Herstellung der Mietsache erforderlichen Kosten aus der Masse aufbringen oder anderweitig finanzieren zu können. Die Ansprüche des Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichtüberlassung der streitgegenständlichen Wohnung und auf Zahlung der im Sanierungsvertrag vereinbarten Vertragsstrafe wären bei Anwendung von § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO Masseverbindlichkeiten, die zur Unzulänglichkeit der Masse führen könnten. Übermäßige Belastungen zu Gunsten eines einzelnen Gläubigers von der Masse fernzuhalten, war gerade der Grund für die vom Bundesgerichtshof vorgenommene teleologische Reduktion (vgl. Lohmann in Festschrift Gero Fischer, 2008, S. 333, 344 f).
24
Das Interesse des Beklagten an der Mietsache beschränkt sich darauf, dass sein mit der Schuldnerin geschlossener Sanierungsvertrag durchgeführt wird. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zu anderen gegenseitigen Verträgen, die dem Wahlrecht des Verwalters nach § 103 Abs. 1 InsO unterfallen. Erst dann, wenn der Mieter die Mietsache in Gebrauch hat, ist ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand des Vertragsverhältnisses bis zum Ende der vereinbarten Mietzeit oder auf die Einhaltung vertraglicher Kündigungsfristen anzuerkennen (vgl. Lohmann, aaO S. 345).
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- Nach diesen Erwägungen ist der nicht besitzende Mieter in der Insolvenz des Vermieters weniger geschützt als der besitzende Mieter. Dies ist auch bei der Wohnraummiete nicht unbillig; denn nur für den besitzenden Mieter bildet die Wohnung den Mittelpunkt seiner privaten Existenz (BVerfGE 134, 242 Rn. 270; vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2009 – VIII ZR 8/08, BGHZ 179, 289 Rn. 14). Diese Wertung liegt auch den Regelungen über den Schutz der Mieter einer Wohnung in §§ 549 ff BGB zugrunde.
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- a) Nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber anstelle des Vermieters nur dann in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert wird, also das Eigentum auf den Erwerber übergeht (vgl. MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 566 Rn. 12). Der Erwerber tritt danach nicht in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn die Wohnung zwar bereits vermietet, aber zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs noch nicht an den Mieter überlassen worden ist, worunter regelmäßig die Besitzübergabe an den Mieter zu verstehen ist (MünchKomm-BGB/Häublein, aaO Rn. 14; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 1. Februar 1989 – VIII ZR 126/88, ZIP 1989, 375, 376; Eckert, EWIR 1989, 665). Entsprechendes hat die Rechtsprechung über den Wortlaut der Regelung hinaus nach dem Zweck der Vorschrift des § 566 BGB angenommen, wenn der Mieter trotz Fortbestehens des Mietverhältnisses schon vor dem Eigentumsübergang auf den Erwerber aus der Mietwohnung ausgezogen ist. Der in § 566 BGB geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, dem die Wohnung aufgrund wirksamen Mietvertrages überlassen worden ist. Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung als berechtigter Besitzer soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. Das Erfordernis der Überlassung der Wohnung an den Mieter erfüllt ferner eine Publizitätsfunktion, denn der Erwerber kann in der Regel bereits aus der Besitzlage ablesen, in welche Mietverhältnisse er eintreten muss. Nach seinem Wortlaut und Zweck setzt § 566 BGB deshalb grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Eigentumswechsels ein wirksames Mietverhältnis besteht und sich der Mieter noch im Besitz der Wohnung befindet (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 313/08, NJW 2010, 1068 Rn. 21). Die aus dem Normzweck des § 566 BGB abgeleitete Begrenzung seines Schutzbereichs wirkt nicht nur, wenn ein Mieter im Zeitpunkt der Veräußerung bei bestehendem Mietverhältnis aus dem Mietobjekt vorzeitig ausgezogen war (BGH, Urteil vom 4. April 2007 – VIII ZR 219/06, NJW 2007, 1818 Rn. 8, 10), sondern auch dann, wenn der Mieter infolge vorgetäuschten Eigenbedarfs ausgezogen war und der Mietvertrag wegen der Täuschung nicht rechtswirksam beendet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009, aaO).
27
- b) Die nach dem ausgeübten Besitz vorgenommene Unterscheidung findet ihre innere Berechtigung in der Verfassung. Das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen und deshalb ebenso grundgesetzlich geschützt wie die Eigentumsposition des Vermieters. Dieser grundrechtliche Schutz setzt aber voraus, dass der Mieter Besitzer der gemieteten Wohnung ist, dass das Mietverhältnis mithin in Vollzug gesetzt ist (vgl. BVerfGE 89, 1, 5 ff; BVerfG, NJW 2000, 2658, 2659; WuM 2011, 355, 356 f; BVerfGE 134, 242 Rn. 270; BGH, Urteil vom 28. Januar 2009, aaO; vom 8. Juni 2011 – VIII ZR 226/09, WM 2011, 2144 Rn. 11; vgl. Maunz/Dürig/Papier, GG, 2014, Art. 14 Rn. 202; Lohmann, aaO).
28
- Der Beklagte kann die Überlassung der streitgegenständlichen Wohnung nicht erreichen. Denn nach seinem in der Revisionsinstanz entgegen § 559 Abs. 1 ZPO gehaltenen Tatsachenvortrag hat der Kläger die Wohnung zwischenzeitlich veräußert. Da § 566 Abs. 1 BGB zu seinen Gunsten nicht zur Anwendung kommt, weil er zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht Besitzer der Wohnung war, kann er seinen Anspruch auf Übergabe der Mietwohnung gegenüber dem Erwerber nicht durchsetzen. Aber auch wenn der Kläger die sich im Rohbauzustand befindliche Wohnung nicht veräußert hat, kann der Beklagte sie nicht beziehen, weil sie nicht bewohnbar ist. In beiden Fällen blieben dem Beklagten – sollte § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Anwendung kommen – gegen die Masse nur Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüche. Eine Bevorzugung des Beklagten gegenüber den Insolvenzgläubigern wegen solcher Ansprüche widerspricht aber den sich aus §§ 103 ff InsO ergebenden Wertungen des Gesetzgebers.
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- Auch ein etwaiger Rechtsmissbrauch durch einen Vermieter, der unter Einsatz einer finanziell nicht ausreichend ausgestatteten juristischen Person die „Entmietung“ eines Hauses betreibt, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO. Ein Mieter muss nur in Ausnahmefällen seine Wohnung vorübergehend verlassen, um die Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten zu dulden, und das auch nur, wenn der Vermieter seine ernsthaften Sanierungsabsichten und die Finanzierbarkeit der Baumaßnahme beweist. Soweit es dennoch in Einzelfällen zu einem Rechtsmissbrauch kommen sollte, haften die handelnden Personen dem Mieter deliktisch, etwa nach § 826 BGB.
III.
30
Das angefochtene Urteil kann deshalb nicht bestehen bleiben. Da das Berufungsgericht den Sachverhalt rechtsfehlerfrei festgestellt hat und das festgestellte Sachverhältnis, ohne dass es hierzu weiteren Vortrags und weiterer Feststellungen bedürfte, eine Entscheidung über den in der Berufungsinstanz gestellten Feststellungsantrag ermöglicht, kann der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die angefochtenen Entscheidungen waren insoweit abzuändern, als die Klage auch in Bezug auf den ersten Hilfsantrag abgewiesen worden ist.
Fundstelle:
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – IX ZR 87/14 –